Deutsche Originalfassung

Landesgericht Leoben

21. Oktober 1997
Geschäftszahl 1 R 189/97d

Quelle: Rechtsinformationssystem (RIS) der Republik Österreich (www.ris.bka.gv.at),
Judikaturdokumentation Justiz (OGH, OLG, LG)

CISG-Hauptzitate:
Artikel 2
[ CISG nicht anwendbar ]

Das Landesgericht Leoben hat als Rekursgericht durch die Richter Hofrat Dr. Buchrieser (Vorsitz), Dr. Wrezounik und Dr. Sommerauer in der Rechtssache der klagenden Partei A***** vertreten durch Dr. B, Dr. L, Dr. S, Rechtsanwälte, 1010 Wien, Kärntnerstraße 10, wider die beklagte Partei K***** wegen S 8.974,-- s.A. über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Kindberg vom 23. Juni 1997, 2 C 675/97v-2, beschlossen: Dem Rekurs, dessen Kosten die Rechtsmittelwerberin selbst zu tragen hat, wird keine Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung ist jedenfalls unzulässig.

Begründung:

Die klagende Partei, ein in Deutschland ansässiges Handelsunternehmen, begehrte von der Beklagten S 8.974,-- s.A. als offene Forderung gemäß Lieferung/Kaufpreis gemäß einer näher bezeichneten Belegnummer. Unter der Rubrik "08" (Kosten) sprach sie unter anderem auch S 1.871,88 an "sonstigen Mahnkosten" an und führte dazu aus, die Beklagte habe sich wenigstens stillschweigend ihren Geschäftsbedingungen unterworfen und so auch die Pflicht zur Tragung von vorprozessualen Einhebungskosten übernommen. Diese Kosten wären jetzt in der verzeichneten Höhe (S 1.871,88) angefallen; die Höhe der Gebühren entspräche den Ansätzen der Verordnung BGBl 1996/141.

Die Klage brachte sie mit Hilfe automatisationsunterstützter Datenverarbeitung ein.

Das Erstgericht erließ den Zahlungsbefehl antragsgemäß. Von den verzeichneten Kosten wies es jedoch die verlangten sonstigen Mahnkosten von S 1.871,88 mit der Begründung ab, dieser Kostenpunkt werde bereits durch den Einheitssatz abgedeckt.

Gegen diesen Beschluß erhob die klagende Partei Rekurs mit dem Antrag, die Entscheidung in eine Zuerkennung von weiteren S 1.871,88 an Kosten abzuändern oder sie zur Neuentscheidung nach Verfahrensergänzung aufzuheben.

Der Rekurs ist unberechtigt.

Nach dem Inhalt der Mahnklage, aber auch nach dem unmißverständlichen Rekursvorbringen werden die strittigen Mahnkosten als vorprozessuale Kosten verlangt. Nach herrschender Ansicht ist der Kostenersatzanspruch ein öffentlich-rechtlicher Anspruch eigener Art, der auf anderen anspruchsbegründenden Kriterien beruht und in einem anderen Durchsetzungsverfahren geltend zu machen ist als Normen des Privatrechts (zB OGH 5.4.1987 ÖBl 1988, 78; Fasching, ZPR2 Rdz 468; aM M. Bydlinski, Kostenersatz, 53). Die im Rekurs gewollte Lösung der noch offenen Kostenfrage nach § 256b BGB versagt deswegen. Es bleibt beim Grundsatz, wonach vor inländischen Gerichten ausschließlich inländisches Zivilverfahrensrecht gilt (OGH 16.9.1981 JBl 1983, 652; 23.11.1994 EvBl 1995/51 ua). Für den Ersatz von Prozeßkosten und auch vorprozessualen Kosten gelten daher ausschließlich die §§ 40ff ZPO. Sinngemäß das gleiche gilt für die im Rechtsmittel zitierten Bestimmungen in Art.74 UN-Kaufrecht, wobei im Lichte dessen Art 2 lit a deren Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall ohnehin nicht ohne weiteres einsehbar erscheint.

Da die im Rechtsmittelverfahren zu behandelnde Kostenposition unmißverständlich als vorprozessuale Kosten verlangt wird, bringt der Hinweis auf die AGB der klagenden Partei nichts: Nach der allein entscheidenden Kostenvorschrift in § 41 Abs.1 ZPO hat die

Beklagte der klagenden Partei nur die durch die Prozeßführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu ersetzen, wobei sich die Zweckmäßigkeit auf die Rechtsverfolgungmaßnahme bezieht (Fasching, Kommentar II, 321; derselbe, JBl 1982, 326f).

Für die dazu notwendige Beurteilung kann es gewiß nicht angehen, die Ersatzfähigkeit derartiger Kosten apodiktisch und schlechthin abzulehnen, wie dies die erstgerichtliche Begründung möglicherweise nahelegen wollte. So zeigt der Rekurs zutreffend die Existenz mannigfacher Normen in der österreichischen Rechtsordnung - zB die auch von Illedits, Vorprozessuale Mahn- und Inkassospesen, RdW 1997, 182ff referierte Bestimmung in § 6 Abs.1 Z 15 KSchG idF BGBl 1997/6 - auf, welche die entgeltliche Tätigkeit derartiger Eintreibungsmaßnahmen als selbstverständlich voraussetzen. Daß es sich bei der Tätigkeit von Inkassobüros um gesetzlich erlaubte handelt, braucht angesichts der ausdrücklichen Regelung dieser Tätigkeiten (etwa §§ 69, 127, 247 GewO; Verordnung BGBl 1993/490) nicht weitwendig begründet werden. Die volks- und betriebswirtschaftliche Bedeutung derartiger Inkassoinstitute soll ebensowenig geleugnet werden (vgl die Untersuchungen Bertls in RZ 1997, 50ff).

Diese Erwägungen dürfen aber den kostenrechtlichen Konnex (Ersatzfähigkeit nur der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung-/-verteidigung notwendigen Kosten) nicht auflösen.

Auch die Interpretation von Rechtsakten der Europäischen Union erzwingt keineswegs die im Rekurs unterstellte Annahme, Inkassospesen müßten unbeschränkt in der tatsächlich beim Gläubiger angefallenen Höhe auf den Schuldner überwälzt werden. Es besteht nämlich kein derartiger rechtsverbindlicher Akt der Europäischen Union. Lediglich in der Empfehlung der Kommission vom 12. Mai 1995 über die Zahlungsfristen im Handelsverkehr (Amtsblatt Nr.L 127 vom 10.6.1995, 19) wird als Ziel das Gewähren eines angemessenen Schadenersatzes bei Zahlungsverzug genannt (Art.1), später (Art.3) werden dann die administrativen Kosten und Verfahrenskosten, die durch die Betreibung der Forderung entstanden sind, eigens angeführt. In die gleiche Richtung geht die dazu ergangene Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Juli 1996 (Amtsblatt Nr.C 211 vom 22. Juli 1996, 42), wo gesetzliche Regelungen für die Erstattung von Kosten für die Betreibung von Schulden entsprechend festgelegter Gebühren (Punkt 6. lit b) sowie Bestimmungen für die Zulassung von Schuldeneintreibern empfohlen werden (Punkt 6. lit g). Empfehlungen iS des Art.189 EWG-Vertrag wirken allerdings nicht verbindlich, wenngleich die Gerichte verpflichtet sind, sie bei Entscheidungen insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn sie Aufschluß über die Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder verbindliche gemeinschaftsrechtliche Vorschriften ergänzen (Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht, 181; Zahlbruckner, Die Empfehlung im EWG-Vertrag, JBl 1993, 345).

Aus diesem Grunde könnte aber die Ansicht, Inkassospesen dürften Gläubigern in keinem Falle als vorprozessuale Kosten zuerkannt werden, nicht gebilligt werden.

Nach Meinung des Rekurssenates bietet die - freilich von anderen Rechtsmittelgerichten (zB LGZ Wien 29.6.1993 EFSlg 72.865) kritisierte - Entscheidung des OLG Innsbruck 30.10.1984 EvBl 1985/17 weiterhin einen überzeugenden Lösungsansatz: Die Einschaltung eines Inkassobüros lediglich zur Abfassung von Mahnschreiben wird in der Regel nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich anzusehen sein. Andernfalls würde eine durch nichts begründbare Privilegierung nicht dem Anwaltstand angehöriger Personen, Geschäftsbüros oder Vereine gegenüber Rechtsanwälten erreicht, wenn hier der Ersatz solcher Aufwendungen zur vorprozessualen Schadensregulierung ohne die Schranken des § 41 ZPO (notwendige Kosten) und des § 23 RAT (Deckung im Einheitssatz) zugestanden würde (so auch ausdrücklich OLG Graz 16.11.1987 EvBl 1988/99; in diesem Sinne auch Messiner, Kostenersatz für die vor- und außerprozessuale Rechtsverfolgung durch Berater in Versicherungsangelegenheiten und Inkassobüros, ZVR 1990, 297, insbesondere 299). Diese Einschränkung bedeutet ja nicht, daß derartige Kosten unhonoriert bleiben, sie sind lediglich mit dem Einheitssatz bereits abgedeckt und nur in dem darüber hinausgehenden Umfange als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen. Für ausländische Kläger ergibt sich in diesem Zusammenhang kein anderer Gesichtspunkt. Dagegen wird es Fälle geben, wo die Betrauung eines Inkassobüros mit solchen Eintreibungsmaßnahmen, die von einem Rechtsanwalt nicht durchgeführt werden und dem Gläubiger selbst nicht zumutbar sind, als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig qualifiziert werden kann. Ähnliche, wenngleich speziell auf Gläubigerschutzverbände bezogene Überlegungen trägt auch Fasching in der schon zitierten Glosse JBl 1982, 326 vor.

Ob die hier geltend gemachten Kosten von S 1.871,88 den zuletzt genannten Kriterien subsumierbar sein könnten oder nicht, ist unüberprüfbar. Die Kostenposition blieb nämlich unaufgeschlüsselt; es wird nur allgemein darauf verwiesen, daß Kosten in Höhe der Verordnung BGBl 1996/141 (Höchstsätze der Inkassoinstituten gebührenden Vergütungen) angefallen wären.

Der zuletzt genannte Umstand führt im Ergebnis zur vollständigen Bestätigung der erstgerichtlichen Entscheidung. § 453a ZPO (elektronisches Mahnverfahren) brachte zur Notwendigkeit, behauptete Barauslagen - hier: Inkassospesen - zu bescheinigen (§ 54 Abs.1 ZPO), keine Ausnahme: Die kostenansprechende Partei hat gemäß § 54 Abs.1 ZPO bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruches das Verzeichnis der Kosten samt den zur Bescheinigung der Ansätze und Angaben dieses Verzeichnisses etwa erforderlichen Belege dann, wenn die Beschlußfassung ohne vorgängige Verhandlung erfolgen soll, gleichzeitig mit dem der Beschlußfassung zu unterziehenden Antrage dem Gericht zu übergeben. Auch bei einer praxisgerechten, den Erfordernissen des elektronischen Rechtsverkehrs angepaßten Gesetzesinterpretaton ist von der klagenden Partei hier jedenfalls zu fordern, daß sie vorzulegende urkundliche Bescheinigungsmittel für die geltend gemachten vorprozessualen Kosten in der Klage anführt und gleichzeitig ihre unverzügliche Vorlage auf dem Postweg dem Erstgericht ankündigt. So kann dann das Erstgericht zu einer Grundlage für die Beurteilung dieses Kostenersatzanspruches gelangen (1 R 515/96v LG Leoben). Dies trifft hier nicht zu.

Daraus ergibt sich die Erfolglosigkeit des Rekurses.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Nach § 528 Abs.2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung jedenfalls unzulässig.