Deutsche OriginalfassungOberster Gerichtshof
19. Januar 1999
Geschäftszahl 1 Ob 294/98mQuelle: Rechtsinformationssystem (RIS) der Republik Österreich (www.ris.bka.gv.at),
Judikaturdokumentation Justiz (OGH, OLG, LG)CISG-Hauptzitate:
Artikel 74 ff, 81
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei Bank ***** Aktiengesellschaft, *****vertreten durch Dr. Karl G. Aschaber, Dr. Andreas König und Dr. Andreas Ermacora, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 57.960 US-Dollar (724.361,70 S) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 19. August 1998, GZ 1 R 378/98i-8, folgenden
Beschluß gefaßt: Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung: Die Gegnerin der gefährdeten Partei, eine österreichische Bank, eröffnete über Auftrag der gefährdeten Partei als österreichischer Käuferin zugunsten einer nicht verfahrensbeteiligten und in Hangzhou, Volksrepublik China, domizilierten Verkäuferin ein unwiderrufliches Dokumenten(zahlungs)akkreditiv (Letter of Credit oder L/C) über 57.960 US-Dollar als Kaufpreis für 289.800 Kleiderbügel. Zwischen den Kaufvertragsparteien waren die Geltung von UN-Kaufrecht sowie der Incoterms 1990 und ferner für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts am Schiedsort Zürich nach der Schieds- und Vergleichsordnung der ICC vereinbart worden.
Die gefährdete Partei beantragte nun bei dem gemäß § 387 Abs 2 EO zuständigen Bezirksgericht die Erlassung der einstweiligen Verfügung, ihrer Gegnerin werde gemäß § 382 Abs 1 Z 5 EO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zuständigen Schiedsgerichts der ICC sowie unter Nachweis der Einbringung der Schiedsklage innerhalb von drei Monaten einstweilen verboten, aus dem Letter of Credit über 57.960 US-Dollar Zahlung an die Verkäuferin zu leisten. Die näher bezeichneten Mängel der Ware seien offensichtlich, evident und erheblich. Die gefährdete Partei sei ihrer Rügeverpflichtung nachgekommen, ihr stehe ein Schadenersatzanspruch nach den Art 74 ff UN-Kaufrecht sowie ein Anspruch auf Aufhebung des Kaufvertrags nach Art 81 UN-Kaufrecht zu. Die Verkäuferin habe nichts oder nur einen geringen Teilbetrag zu fordern, dennoch versuche sie, das Akkreditiv zur Gänze abzurufen. Der gefährdeten Partei stehe dagegen der Einwand des Rechtsmißbrauchs zu.
Die zweite Instanz wies den Sicherungsantrag ab.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Gemäß § 378 Abs 1 EO kann das Gericht zur Sicherung des Rechts einer Partei auch schon vor Einleitung eines Rechtsstreits auf Antrag einstweilige Verfügungen treffen. Wird eine einstweilige Verfügung vor Einleitung eines Prozesses bewilligt, dann ist jedoch im Beschluß eine angemessene Frist für die Einbringung der Klage zu bestimmen (§ 391 Abs 2 EO). Schon daraus ergibt sich, daß die gefährdete Partei angeben muß, welchen Anspruch sie behaupten und mit Klage geltend machen will (EvBl 1976/114 ua; RIS-Justiz RS0004906). Eine einstweilige Verfügung muß sich nach stRspr immer im Rahmen des Hauptanspruchs halten (stRspr: SZ 47/109, SZ 58/81; ÖBA 1995, 311 (Konecny); 6 Ob 59/97p uva; RIS-Justiz RS0004861); da die vorprozessuale einstweilige Verfügung als Sicherungsmittel nur ein Vorläufer des im Hauptprozeß angestrebten Rechtsschutzes ist und einstweilige Verfügungen nur auf das Hauptverfahren ausgerichtet sind sowie nur im Zusammenhang mit diesem erlassen werden dürfen, muß der zu sichernde Anspruch mit dem Klageanspruch identisch sein (ÖBA 1995, 311; 6 Ob 59/97p; 10 Ob 120/97p = ÖBA 1998, 480; RIS-Justiz RS0004904; Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung, 309). Daraus folgt, daß die gefährdete Partei gegen einen von ihr im Hauptverfahren nicht belangten Dritten im allgemeinen - ein Fall, in dem ausnahmsweise ein Dritter an seiner vom Beklagten abgeleiteten Rechtsausübung gehindert wird (vgl dazu ÖBA 1995, 311 mwN), ist hier nicht zu beurteilen - keinen im Sicherungsverfahren durchzusetzenden Anspruch hat, weil sich der Klageanspruch regelmäßig (nur) gegen den Beklagten und nicht gegen einen Dritten richtet. Eine Behauptung der gefährdeten Partei, sie habe gegen ihre Gegnerin einen Anspruch, zu dessen Sicherung die Erlassung der einstweiligen Verfügung erforderlich sei und den sie vor einem Schiedsgericht durchsetzen wolle, liegt nicht vor. Das Schiedsgerichtsverfahren soll (nur) gegen die chinesische Verkäuferin abgeführt werden und wird nach den Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs auch gegen diese geführt.
Der vorliegende Rechtsstreit bietet trotz gegenteiliger Literaturstimmen (vgl dazu Konecny in ÖBA 1995, 312 mwN in FN 2 bis 4, 6 und ablehnender Stellungnahme zu diesen Auffassungen) keinen Anlaß, von der stRspr über die Unzulässigkeit nicht anspruchsgebundener Maßnahmen abzugehen, weil vom Hauptanspruch losgelöste Sicherungsmaßnahmen mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar sind. Die von der Rechtsmittelwerberin angeführten Entscheidungen 6 Ob 619/91 = ÖBA 1992, 1035 (Avancini), 1 Ob 554/94 = SZ 67/111 = ÖBA 1996, 64 (Avancini) und 4 Ob 366/97w = ÖBA 1998, 563 sind zur Stützung ihres Standpunkts nicht geeignet, betrafen sie doch Fälle, in denen der Rechtstreit - so wie hier - zwischen den Partner des gesicherten Grundgeschäfts anhängig bzw anhängig zu machen und der Dritte (die Bank) - abweichend vom vorliegenden Fall - nur als der vom Drittverbot Betroffene (als Drittschuldner) in das Sicherungsbegehren einbezogen war. Die gefährdete Partei hätte daher auch im vorliegenden Fall ihren Sicherungsanspruch gegen die Schiedsbeklagte (Verkäuferin) richten müssen; in diesem Fall hätte sie zulässigerweise - neben einem an die Gegnerin als Vertragspartnerin gerichteten Verfügungs- bzw Einziehungsverbot - ein der Bank, die über ihr Ersuchen ein Akkreditiv eröffnete, - aufzuerlegendes Zahlungsverbot erwirken können (vgl ÖBA 1995, 311). Die Vorinstanzen haben sich deshalb zu Recht mit der Frage, ob eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme des Dokumentenakkreditivs vorliege, ebensowenig auseinandergesetzt wie mit der weiteren Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erlassung einstweiliger Verfügungen zur Sicherung von Ansprüchen, über die ein ausländisches Schiedsgericht zu entscheiden hat (§ 594 Abs 1 ZPO, § 1 Z 16 EO), zulässig ist.