Deutsche Originalfassung

Oberster Gerichtshof

27. Februar 1996
Geschäftszahl 4 Ob 1521/96

Quelle: Rechtsinformationssystem (RIS) der Republik Österreich (www.ris.bka.gv.at),
Judikaturdokumentation Justiz (OGH, OLG, LG)

CISG-Hauptzitate:

[ auch zitiert: Artikel 53 ]

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schinko und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr.Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei H.***** KG, ***** vertreten durch Dr.Josef Habersack, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 199.927,70 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 23.November 1995, GZ 6 R 204/95-32, den

Beschluß

gefaßt: Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Eine allfällige Verletzung der materiellen Prozeßleitungspflicht des Erstgerichtes nach § 182 ZPO kann der Oberste Gerichtshof nach stRsp nicht wahrnehmen, wenn in der Berufung ein solcher Mangel nicht gerügt wurde (5 Ob 195/73; 2 Ob 670/87 uva), kann doch das Berufungsgericht Verfahrensmängel nur auf Rüge hin aufgreifen, so daß die Nichtberücksichtigung eines ungerügt gebliebenen Verfahrensfehlers durch das Gericht zweiter Instanz keinen Mangel des Berufungsverfahrens bilden kann (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu § 503 mwN). Die Beklagte hat aber in der Berufung nur beanstandet, daß das Erstgericht (ua) die Gegenforderungen nicht näher geprüft habe, nicht aber, daß das Erstgericht sie nicht zu einem weiteren Vorbringen angeleitet habe.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der - von der Beklagten behaupteten, aber ungeprüft gebliebenen - Konkurseröffnung über das Vermögen der in Tschechien ansässigen Klägerin keine rechtliche Bedeutung zukomme, ist zuzustimmen. Ein Staatsvertrag zwischen Österreich und Tschechien über die gegenseitige Anerkennung der Konkurseröffnungen besteht derzeit nicht. Wird der Konkurs im Ausland eröffnet, dann treten mangels einer staatsvertraglichen Regelung die Wirkungen (ua) der §§ 1, 3, 6 und 7 KO in Österreich nicht ein; der Gemeinschuldner des ausländischen Konkurses bleibt über sein in Österreich befindliches Vermögen verfügungsbefugt (SZ 53/44; ZfRV 1994, 79 <Hoyer> ua). Der Gemeinschuldner des ausländischen Konkurses kann in Österreich seine Rechte gerichtlich und außergerichtlich geltend machen (EvBl 1984/125; Leitner, Der grenzüberschreitende Konkurs 221 f).

Richtig ist, daß sich die Vorinstanzen nicht mit der Frage befaßt haben, nach welcher Rechtsordnung der vorliegende Sachverhalt mit Auslandsberührung zu beurteilen ist. Im Hinblick darauf, daß die Klägerin zu liefern hatte, ist mangels gegenteiliger Vereinbarung (§ 35 IPRG) tschechisches Recht anzuwenden (§ 36 IPRG). Daß die Vorinstanzen dies übersehen haben, ist aber ohne Bedeutung: Auch nach tschechischem Recht ist der Kaufpreis für gelieferte Waren zu zahlen. Gleiches gilt nach Art 53 UN-Kaufrecht. Da die Tatsachengrundlage für die geltend gemachten Gegenforderungen nicht bewiesen wurde, waren hiezu keine Rechtsfragen zu lösen.